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Google Translate entwickelt eine eigene Sprache

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Google TranslateDer Internet-Gigant Google verbessert seit Jahren stetig sein beliebtes Übersetzungssystem „Translate“ und hat ihm mittlerweile über 100 Sprachen beigebracht. Bislang lief das Erlernen so ab, dass Übersetzungen anhand von Beispielen implementiert und verbessert wurden. Teilweise wurde dabei mit User-Feedback gearbeitet, teilweise haben Linguisten die Datenbanken der Künstlichen Intelligenz mit Content gefüttert.

Wie funktionierte „Translate“ bislang?

Die Ausgangssprache war immer Englisch. Davon ausgehend wurde bislang in alle anderen Sprachen vor- und zurückübersetzt. In der Praxis führte das häufig dazu, dass einzelne Begriffe mit mehreren Bedeutungen übersetzt wurden, absteigend mit der Häufigkeit ihrer Verwendung in der jeweiligen Zielsprache. Der Begriff „Power“ ist so ein Beispiel. Er lässt sich im Deutschen einerseits mit „Kraft“, aber auch mit „Macht“ übersetzen, wohlwissend, dass auch das englische „Force“ mit „Kraft“ übersetzt werden könnte. Wenn ich also vom Deutschen in eine exotische Sprache übersetzen wollte, war der Zwischenschritt immer „Englisch“. Von da aus wurde dann weiter übersetzt, was natürlich zu Ungenauigkeiten führt, da eine Übersetzung immer auch eine Interpretation ist, und die bietet bekanntlich eine Menge Spielraum für Unschärfe.

Was hat sich getan?

Im September kündigte Google an, das System hinter „Translate“ zu reformieren und wechselte für acht Sprachen, darunter auch Deutsch, auf ein “Neuronales Netz” namens „Google Neural Machine Translation“, das sich selbst Bedeutungen erschließt und beibringt, ähnlich wie Facebooks „Deep Text“. Die sogenannte „Zero-Shot-Translation“ konnte erstmals zwischen Sprachen übersetzen, obwohl es diese vorher niemals explizit gesehen hatte. Das legt die Vermutung nahe, dass „Translate“ sich selbst eine Universalsprache beigebracht hat – basierend auf der Google Datenbank.

Rätselhafte Entwicklung

Für Programmierer ist es nahezu unmöglich nachzuvollziehen, wie sich ein neuronales Netz diese Fähigkeit beibringt. Von daher wird der Zwischenschritt auch als eine Art „gemeinsame Repräsentation“ der Datenbanken von „Translate“ angesehen. Für Informatiker ist das eine vollkommen ungewöhnliche Beschreibung eines Programms. Deshalb ist es an dieser Stelle sinnvoll, uns die biblische Geschichte des Turmbaus zu Babel zu vergegenwärtigen (Gen 11,1-9). Gott hindert über die Sprachverwirrung die Menschen daran, den Turm, der den Himmel erreichen sollte, weiter zu bauen. Wer sich nicht mehr verständigen kann, der kann auch kein größenwahnsinniges Bauprojekt beenden. Die Menschen verlassen also den Turm und damit ergießen sich die Sprachen in die Welt. Was das neuronale Netz nun macht, ist die Umkehr davon. “Google Translate” ist ein digitaler babylonischer Turm, in dem über die Schnittstelle der Künstlichen Intelligenz untereinander kommunizieren kann.

Was kontrollieren die Programmierer?

Der KI-Forscher Toby Walsh warnt eindringlich davor, nun Panik gegenüber einer selbstlernenden Computerinstanz zu entwickeln. Die neue Sprache bedeutet nicht, dass Maschinen dem Menschen an Intelligenz überlegen sind. Er könne am Morgen auf der Arbeit immer noch sehen und nachvollziehen, was sich das System selbst beigebracht hat. Was nicht nachzuvollziehen ist, ist allerdings das WIE.

Unheimlich oder praktisch?

Ich wollte das System selbst auf die Probe stellen und habe versucht, ihm über ein paar verschachtelte Sätze, die vor wenigen Monaten zwar interessante, jedoch meist unbrauchbare Übersetzungen zu Tage gefördert hätten, ein Bein zu stellen. Nun, wie soll ich sagen… Derjenige, der hingefallen ist, war ich selbst. Die Übersetzung vom Deutschen ins Englische funktioniert so unglaublich gut und sinnvoll, dass es mir fast peinlich ist, den Versuch überhaupt gewagt zu haben. Zu schreiben, dass dies die Zukunft ist, ist untertrieben. Es ist nämlich die Gegenwart. Sie ist durch selbstlernende neuronale Netze nur eben ein wenig mehr so geworden, wie man sich die Zukunft in Science-Fiction-Filmen der Vergangenheit vorgestellt hat. Für Trekkies ist der Universaltranslator in greifbare Nähe gerückt. Die Douglas-Adams-Fans hier können immerhin beruhigt aufatmen: Ihr braucht keinen Babelfisch im Ohr. Ein Headset mit Internetverbindung reicht vollkommen aus. Die Frage ist nur, ob Fremdsprachenlehrende bald ihren Job verlieren.

Der Beitrag Google Translate entwickelt eine eigene Sprache erschien zuerst auf MATERNA newmedia BLOG.


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